Und wir nähen die Nacht an unsere Haut
Wir sammeln eine Schneeeule, eine Schleiereule und einen Kauz. Ihre gefallenen Federn klauben wir vom Käfigboden aus Gewölle. Wir übergießen ein Seifenstück mit kochendem Wasser und tunken das lose Gefieder. Mit Fingern aus Metall entwirren wir den Flaum. Der Reisetrockner presst den letzten Tropfen aus den Härchen. Auf geschecktem Kunststoff sitzen wir, zünden eine Kerze und schwärzen die Nadelspitze in ihrer Mitte. Wir beginnen mit den Handgelenken und stechen die Nadel einen Millimeter tief. Schieben sie ein Stückchen unter der obersten Schicht entlang, der weiße Faden scheint durch unsere Haut.
Die Nadel in der Kälte, knoten wir und stillen unser Blut mit einem Einstecktuch aus Hahnentritt. Wir durchbohren den Kiel einer zarten Feder und legen sie an den Fadenbeginn. Unsere durchlöcherte Haut desinfizieren wir mit Korn. So nähen wir in kleinen Schlaufen die Daunenketten vom Beckenknochen bis zur Fontanelle. Mit starkem Garn machen wir Flugfedern an unseren Muskeln fest. Versuchsweise bewegen wir die Flügel auf und ab, biegsam schwingen unsere Knochen mit. Wangen und Schläfen konturieren wir in Stickmanier mit buntem Gefieder.
Owl ́s Eyes Masquerade.Unsere Wimpern zupfen wir mit der Pinzette aus, setzen Sekundenkleber auf verhornte Enden und punktieren die Lidlöcher mit Eulenaufschlag. Ein Augenlid mit dichtem Kranz und das mit den Kurzen ziehen wir mit Fingern auseinander und setzen den Skleralring ein. Wir ritzen ein hauchdünnes Scheibchen der Hornhaut, lösen es mit spitzen Fingern ab und klappen es zur Seite. Drücken die Düse des Handblasebalgs in die Tiefe der Pupille und fächern Luft, bis sich die Iris an den runden Knochen schmiegt. Mit dem Skalpell schälen wir den Augapfel konvex, schließen ihn mit dem Scheibchen und sprayen Flüssigpflaster über die Operation. Fixiert starren unsere Augen in die Weite und sehen gestochen. Mit weißer Base verblenden wir unsere gespannten Lider, ziehen dunkle Lines mit Kajal und schraffieren die Lidfalte grau.
Ausfliegen.
Wir lesen aus unseren Horoskopen. Zwilling: Jedes Ziel braucht einen Anstoß. Also treten sie durch. Wir trinken einen Eiershot auf: Mehr ist mehr! Jungfrau: Sie zeigen Gesicht für Bauch Beine Po, aber zählen nächtlich die Sterne. Wie geil sind sie auf sich selbst?
Verdammt geil. Waage: Als „Ernst“ sind sie aus dem Mutterleib gerobbt und wollten schon vor dem ersten Klaps beichten. Seien sie ehrlich, der Uterus war ihre schönste Heimat. Setzen sie sich breitbeinig auf die Begeisterung. Champagner rosé. Wir nehmen Jumboflaschen aus dem Eisfach, schütteln die Kohlensäure gegen den Korken, zielen auf die Stelle zwischen unseren Augen und drücken ab. Wir können nicht aus der Flasche schlucken, unsere Lippen schäumen. Mit dem Rest taufen wir den Kühlschrank auf Schlingensief und ritzen Liebesschwüre in unsere federlosen Beine. Vom Kassettendeck: Aus dem Haus gerade aus. An der Ampel bleib ich stehen. Ich sehe nach links und rechts und links. Wenn alles frei ist, kann ich. Die Zigarette drücken wir auf dem Holztisch aus und stapeln Türme aus Leichtbau. Die Möbel beamen wir aus den Fenstern und bauen aus ihrem Gewölle ein Nest im Park. Zwischen Baumgruppen und toten Generälen richten wir Inspirationsecken ein. Mit dem Brotmesser schlitzen wir Polster auf und zerren am Schaum. Die Äste verkabeln wir mit Lampenschirmen, einen Kronleuchter hängen wir an die dickste Eiche.
Eislaufen.
Wir sind gegen den ganzen Okkultismus und haben Zerstreuung geladen. In Plastiktüten tragen andere Schatten unseren Wachs. Auf dem Seziertisch liegt der Fledermauskokon. Im Schwarzlicht breiten sich Substanzen aus. Den Kokon füllen wir mit Puder. Mit einem Nylonfaden befestigen wir seine Flügel an der Decke. Ziehen Liquid durch eine Pipette und teasen unseren Geschmack. Mit einer Seidenkrawatte stehen wir auf der Milchstraße und drehen uns um die eigene Achse. Den Tennisschläger ziehen wir schneidend durch die Luft und suchen den Holkörper. Blind. Wir fliegen gegen die anderen und gegen Stahlbeton. Die mit den schönsten Sehnen trifft. Flederstaub und Flocken vernebeln das Ambiente und fallen ab. Mit sanften Schwingen fegen wir einen Schneeberg und unterteilen ihn mit unseren Schnäbeln in gangbare Schneisen. Wir formen einen See und befüllen ihn mit gefrorenem Korn. Wir spielen Black Swan und schliddern einbeinig über den Wasserspiegel. Die Eisdecke kracht und wir brechen ein. Unsere Federn saugen sich voll und triefen bleischwer Richtung Grund. Mit aufgerissenen Schnäbeln saugen wir Paranoia in unsere Blutbahn und dämmen die restlichen Fluten mit Tabletteversatz.
© Anna Fastabend, 2011